Anja Arndt & Romina Uhrlau

HANT-Magazin für Fotografie

Interview mit Björn Schorr und Paul-Ruben Mundthal

Das HANT-Magazin versteht sich als Plattform für junge Fotografie in Thüringen. Neben dem zweimal jährlich erscheinenden Magazin, das jungen Künstlern und Autoren die Möglichkeit bietet, ihre Arbeiten zu publizieren, veranstaltet der Verein Fotoinit e.V. außerdem Workshops, Ausstellungen und verschiedene Events.

Wir haben die Mitgründer Björn Schorr und Paul-Ruben Mundthal im Rahmen ihrer retrospektiven Ausstellung Soweit so gut in der Erfurter Kunsthalle getroffen.

Danke, dass Ihr Euch die Zeit nehmt. Ihr habt gerade viel um die Ohren, mit eurer Ausstellung Soweit So Gut in der Kunsthalle Erfurt. Wofür steht Thüringen für Euch und welchen Stellenwert hat Fotografie hier?

PAUL-RUBEN In der ersten Ausgabe hatten wir noch einen starken lokalen Bezug, das Waldthema. Später haben wir festgestellt, dass wir innerhalb der Redaktion sehr breit aufgestellt sind, was Vorlieben für Thematiken angeht, und so war jede Ausgabe anders. Wir mussten feststellen, dass das ursprüngliche Profil, das HANT einmal hatte – in Thüringen eine Plattform für Fotografie zu schaffen – so nicht mehr vorhanden ist. Vielmehr bringen wir Thüringer Künstler in die Welt und internationale Leute nach Thüringen. Man sieht ganz gut, wo wir uns jetzt hinbewegt haben. Wir sind immer noch in Thüringen, wir haben das als Basis und repräsentieren auch das Hier, die Fotografie und die Internationalen Künstler.

Wie kommt Ihr auf eure Themen? Ist es immer ein Call for Entries oder sucht Ihr auch selbst nach Beiträgen?

BJÖRN Seit der zweiten Ausgabe gibt es die Möglichkeit für offene Einreichungen. Bei der ersten Ausgabe hatten wir sehr viele eigene Beiträge oder haben gezielt unseren eigenen Bekanntenkreis von Künstlern und Autoren angefragt. Früher hatten wir jede Woche – mittlerweile zweiwöchig – ein Redaktionstreffen, Offline und Online per Google Hangout. Dazu gibt es zweimal im Jahr zur Produktion des Magazins ein Work-Camp, bei dem die Beiträge selektiert werden. Die Wahl der Themen ist eine Gemeinschaftsentscheidung. Irgendwie geht es bei uns immer wieder um ähnliche Themen: um Identität, um das Ankommen, das Reisen, das Suchen, das Erforschen, das Finden, das Reflektieren… immer in Bezug auf die Gesellschaft. Es gibt eine Sache, an die wir uns bisher immer gehalten haben: Das Thema soll aus drei Worten bestehen. ‚Das große Aber‘, ‚Schöne neue Welt‘, ‚Bund für’s Leben‘ – es geht immer um unsere Identität und was uns bewegt.

Gab es schon mal Schwierigkeiten bei der Themenwahl und den daraus folgenden Einreichungen? Haben zum Beispiel die Einreichungen so wenig zum Thema gepasst, dass man daraus nur schlecht etwas zusammenstellen konnte?

BJÖRN Eigentlich nicht. Zumindest nicht so, dass wir Angst haben müssten, keine Ausgabe auf die Beine stellen zu können. Meist stellt sich das Gefühl nur am Anfang ein, wenn man sich mit den Arbeiten noch nicht ausreichend beschäftigt hat. Wir haben traditionell immer Treffen, um Vorauswahlen zu treffen. Dann fangen wir an, Arbeiten zu drucken und pappen die Wände mit Fotostrecken voll. Aber es gab nie so etwas wie einen qualitativen Talpunkt.

Wie geht Ihr bei der Bildauswahl vor? Dürfen Arbeiten von Künstlern verändert werden?

PAUL-RUBEN Der Unterschied zu anderen Magazinen ist, dass wir Serien auserzählen – im Gegensatz zu anderen Fotomagazinen, die m.E. überwiegend Einzelbilder publizieren, kurze Abhandlungen von Portfolios zeigen, die ideenlos aneinandergereiht werden. Bei uns sind es dann schon die starke inhaltliche Auseinandersetzung plus die textlichen Inhalte. Was wir auch nur stemmen können, weil wir viel Personal haben. Verändert werden Texte, wenn sie redigiert werden, wenn also orthographische oder grammatikalische Fehler vorhanden sind oder sich Ideen im Layout ergeben. Oftmals gibt es da aber schon konkrete Vorstellungen von den Autoren. Bei Fotos finden keine inhaltlichen Veränderungen statt. Lediglich Sequenzierungen und Bildauswahlen werden vorgenommen. Wir sind mehr als behutsam, auch in der Absprache mit den Künstlern. Eine Änderung des Inhalts wäre auch gegen unsere Arbeits-Ethik.

BJÖRN Einfach gesagt: es wird nicht in die Fotografie eingegriffen. Natürlich gibt es Sonderfälle. Wie etwa, wenn uns jemand ein pdf von einem Buch mit 70 Seiten schickt. Das müssten wir eigentlich direkt ablehnen. Aber wenn es die Sache wert ist, machen wir uns die Arbeit und wählen acht Bilder davon aus. Schon in den Calls versuchen wir es einzugrenzen, indem wir sagen: bitte 5 – 15 Bilder anhängen, zusammenhängend, komprimiert, gut.

In einigen Foto-Magazinen versucht man ja teilweise, so gut es geht, auf Text zu verzichten. Wie kommt es zu dem Bild/Text-Verhältnis im Magazin?

PAUL-RUBEN Wenn ich das Bild demokratisiere und eben zur Botschaft werden lasse, kann ich nur noch versuchen, Zusammenhänge zwischen einzelnen Serien zu erzählen. Das ist wohl die Anwandlung dieser Magazine. Es ist ja doch recht schwierig, jemanden in einer Fotoserie verharren zu lassen. Vor allem, wenn man davon ausgeht, dass die Betrachter keine Kunsthistoriker oder Fotografen sind. Wir wollen, dass sich die Leute nicht nur die Ästhetik anschauen, sondern auch verstehen und einordnen können, was da passiert. Und diese Texte, auch wenn sie nicht unbedingt erklärend für die Fotos sind, machen noch mal eine eigene Assoziation dazu auf. Wir haben deshalb diese vielen unterschiedlichen Texte, die manchmal wissenschaftlich, manchmal philosophisch oder lyrisch sind.

BJÖRN Für uns war es immer wichtig, Text mit dabei zu haben. Gerade im Spektrum der Reportage-Fotografie ist das, denke ich, die entscheidende Ergänzung. Um nicht nur in die klassische Abbildung, sondern eben auch in das Narrativ ein bisschen tiefer einzudringen und um die sozio-ökonomische Brisanz hinter manchen Bildern mit Fakten zu beleuchten.

Welche Kriterien muss eine Arbeit erfüllen, um ins Heft zu kommen? Insbesondere auch in Bezug auf den Thüringen-Kontext? Ihr hattet bereits erwähnt, dass dieser mittlerweile nachgelassen hat. Aber wie war das speziell am Anfang?

BJÖRN Wir haben das in den ersten Ausgaben noch relativ hoch gehalten. Da ging es aber auch schon nicht konkret um die Bildstrecken. Auch ein persönlicher Bezug wurde hier berücksichtigt. Vielleicht, weil man hier lebt, studiert oder geboren wurde. Das war also von Anfang an sehr offen. Natürlich hat das unter anderem auch mit der Identitätsstiftung hier im Freistaat zu tun. Wir wollten vorsichtig schauen, wie sind hier die Strukturen. In Thüringen gibt es gefühlt die A4 und das war‘s [Anm. d. Red.: die „A4“ ist die Autobahn, die von Ost nach West ungefähr mittig durch Thüringen verläuft und an der sich die größeren Städte entlangfädeln]. Das haben wir verstanden und dann gezielt Menschen in Nord- oder Süd-Thüringen angesprochen. Wir haben dann aber auch recht schnell eingesehen, dass wir uns und allen anderen mehr Möglichkeiten geben, wenn wir das Ganze öffnen.

Cahiers beschäftigt sich in der neuen Ausgabe mit dem Thema Reisefotografie. Wie seid Ihr bisher mit dem Thema umgegangen und welche Rolle spielt es in euren bisherigen Ausgaben?

PAUL-RUBEN Spontan würde ich sagen, Reisefotografien sind aus einer Reise inspirierte und kuratierte Bilder und Dinge, die man nicht vermutet, die man durch diese Reise erst kennenlernt. Ich denke, durch die steigende Globalisierung und die günstigeren Tourismusmöglichkeiten sind ja viel mehr Leute mobil und übertragen das natürlich auch auf die Fotografie, die ja auch mobil geworden ist. Da entsteht ein neues Spannungsfeld, das es so noch nicht gab. Kulturelle Werte werden kreuz und quer durch die Welt geteilt. Schwierig für die künstlerische Fotografie ist es, dass die Reisefotografie sich da vor allem visuell behaupten will und viel weniger mit Konzepten und Ideen im Voraus herangegangen wird. Wir begegnen da im Magazin oftmals solchen Serien, aber man kann sehr schnell lesen, wer wirklich an der Thematik interessiert ist, Zeit reingesteckt und auch recherchiert hat. Interessant ist, dass oftmals reportageartige Reisefotografie damit begründet ist, dass der Autor selbst diesen kulturellen Ursprung hat.

Zum Schluss noch kurz: wie geht’s weiter? Ihr hattet anfangs erwähnt, dass die Förderung des Projekts ausläuft. Bedeutet das dann auch das komplette Ende für das HANT-Magazin?

PAUL-RUBEN Wir sind immer noch dabei, nächstes Jahr machen wir wahrscheinlich eine Ausgabe mit eigenen Mitteln.

BJÖRN Wir müssen die Kapazitäten etwas reduzieren. 10 – 12 Wochenenden plus Redaktionstreffen im Jahr sind einfach nicht mehr drin, vor allem, wenn man Familien gründet und Jobs machen möchte.

Bildnachweise:

  1. Ausgabe 09, S. 28-29
  2. Rücktitel Ausgabe 05
  3. Cover Ausgabe 03
  4. Cover Ausgabe 05
  5. Cover Ausgabe 09

Das Gespräch fand am 02.11.2017 in Erfurt statt.