Hanna Becker

Arbeitsleben

Hanna Becker, aus „fireworks and the sound of the sea“, 2012

Als Fotograf Geld zu verdienen, ist heutzutage ­sicherlich nicht mehr ­­so leicht. Die Arbeitswelt eines ­Fotoassistenten ist ­jedoch mindestens genauso hart.

Letzte Woche erlebte ich einen ganz besonderen Fall. Nach diesem Tag war mir mal wieder klar: Du musst es irgendwie schaffen, selbst zu fotografieren – am besten schon morgen. Doch wenn das so einfach wäre, würde es kaum noch Fotoassistenten auf der Welt geben.

Sieben Uhr aufstehen, duschen und noch schnell einen Happen essen. Wann es das nächste Mal etwas gibt, ist an so einem Produktionstag nämlich nicht immer sicher. Manche Erfahrungen sind einfach Gold wert.

Meine Kriterien für den Tag:
1. mich so gut es geht im Hintergrund halten
2. alles regeln, was mir möglich ist
3. die Versorgung der Menschen am Set
4. ein ordentliches Datensystem am Computer erstellen
5. den Fotografen bei Laune halten
6. mithelfen beim Einrichten des Lichts

Die heutige Location ist eine Suite im Fünf-Sterne Hotel. Ich werde kaum beachtet, nur hier und da ein flüchtiger Blick und die Frage: „Was ist eigentlich deine Aufgabe am Set?“ Auf dem Callsheet ist das Ende für ca. 17 Uhr angesetzt, was ich bezweifle. Nach zehn Minuten bricht das erste Chaos aus: beim Lichtequipment fehlen Flags und Klemmen. ­Improvisation ist gefragt. „Wo sind denn die Schminkspiegel?“ Panik und große Fragezeichen in den Gesichtern. „Okay, ich organisiere das. Wir bekommen welche“, ist meine Antwort, um den weißen Gesichtern wieder etwas Farbe einzuhauchen. Natürlich sind alle Schminkspiegel beim Rent verliehen, aber mit Mühe bekomme ich nach einer Stunde am Telefon noch drei Spiegel geliefert. „Das wurde aber auch Zeit“, kommt von dem Producer aus der Ecke. War das nicht eigentlich sein Job? Ein „Danke“ wäre vielleicht eher angebracht gewesen.

Zum Glück ist keine Zeit, um sich zu ärgern. Erstes Motiv, zweites Motiv … 14 Uhr. Fünf Motive sind Pflicht; sieben wären der Hammer, also sieben. Da ich gerade keine Daten einpflegen muss, beschließe ich, das Zimmer, in dem das zweite Motiv geschossen wurde, schon mal wieder aufzuräumen. Meine erste große Fehlentscheidung an diesem Tag. Als ich nach einer halben Stunde wieder zum anderen Ort des Geschehens stoße, gab es bereits Mittagessen, ohne dass dabei etwas für mich übrig blieb. Stattdessen wird mir sofort der ­Champagnerkübel aus den Händen gerissen mit den Worten: „Schätzchen, den überlässt du am besten einfach mal mir.“ „Ich hatte auch eigentlich nicht vor den zu trinken, keine Sorge.“, denke ich.

Der Tag verläuft hektisch, aber um 19.30 Uhr sind schließlich alle Daten auf dem Computer. Der Rent-Service hat das Equipment abgeholt; beim Verpacken der Kleider können wir nicht helfen, und so nehme ich mir heraus, die erste Pause zu machen. Ohne meine luftgepolsterten Sneaker wären meine Füße längst Fleischklumpen. Um 20.30 Uhr haben wir die Kleiderständer eingepackt und die Suite nach bestem Wissen und Gewissen wieder in den Ursprungszustand versetzt. Alle Gläser, Teller und der Müll befinden sich auf dem Rollwagen. Küsschen links, Küsschen rechts mit den Stylisten, und noch einmal die Frage, ob man nicht doch noch mithelfen soll, was aber zum wiederholten Male verneint wird. „Okay, dann hab ich jetzt alles versucht“, denke ich und stehe fünf Minuten später vor dem Hotel. Angenehme Dunkelheit, gute Luft. Ich schwinge mich auf mein Fahrrad, und die Lichter der Stadt rauschen an mir vorbei. What a day!

Gegen 14.30 Uhr am nächsten Tag ruft der andere Assistent an, und ich verstehe nur ein aufgebrachtes „Check deine Mails! So eine Unverschämtheit! Ich kann‘s nicht fassen.“ Der Producer ist sauer auf uns, weil wir angeblich nicht aufgeräumt und stattdessen eine Pause gemacht haben. Ich bin schwer verwirrt, lese die Mail ungefähr fünfmal, kann aber nie einen Unterschied feststellen. „Natürlich haben wir aufgeräumt. Was will der denn?“ In dem Raum, in dem die Stylisten gearbeitet haben, standen die Stühle wohl noch gestapelt, aber auch nur, weil die beiden noch den Platz brauchten, um die Kleider zu verpacken. Will er uns das jetzt anhängen? Verwirrung und Wut machen sich in mir breit.

Doch es kommt noch besser: Aufgrund dieser Tatsache werden unsere Überstunden nicht bezahlt. Maßregelung durch Gehaltskürzung. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass wir gerade 50 Euro für drei Stunden mehr Arbeit bekommen sollten, kann man eigentlich nur noch hysterisch lachen. Drei Tage lang suche ich nach einem klärenden Gespräch. Am dritten Tag heißt es dann, man möchte nicht mehr darüber reden.

Was ich von diesem Arbeitstag mitgenommen habe, außer Wut und dem Gefühl ausgebeutet worden zu sein? Zwei Regeln, die in jeder zukünftigen Kriterienliste stehen sollten: Kommunikation und Respekt. Denn ein Fotoassistent ist auch ein Mensch.

Hanna Becker, aus „fireworks and the sound of the sea“, 2012