Eine erkenntnistheoretische Miniatur – bestehend aus dem Zitat eines Koans aus dem 13. Jhdt. (das die Idee des Radikalen Konstruktivismus vorwegnimmt, jede Wahrnehmung sei vollständig subjektiv), einer Fotografie als Paraphrase über Caspar David Friedrichs Mönch am Meer (über den dieser selbst schrieb: „Und sännest Du auch vom Morgen bis zum Abend, vom Abend bis zur sinkenden Mitternacht; dennoch würdest du nicht ersinnen, nicht ergründen, das unerforschliche Jenseits!“) und einem kurzem Essay über die obskure Beziehung von Fotografie und Wirklichkeit.
Two monks were arguing about a flag.
One said: „The flag is moving.“
The other said: „The wind is moving.“
The Zen master Huineng happened to be passing by.
He told them: „Not the wind, not the flag; mind is moving.“
Mumon, The Gateless Gate
Entscheidende Augenblicke, wieder und wieder und nochmal…
Lichtquanten treffen auf Elektronenwolken, werden absorbiert und gestreut, rasen durch eine Linse, werden gebrochen, verzerrt, gefiltert, in Zahlen verwandelt, umgerechnet und als Datensatz fixiert. Die Zahlen werden fehlerhaft weitergeleitet, interpretiert, erneut in Photonen umgewandelt – die mit den ursprünglichen nur noch entfernt verwandt sind – und schließlich von einem Screen abgestrahlt (alles, ohne die transformatorischen Abgründe digitaler Bildbearbeitung auch nur angedacht zu haben).
Das Licht rast weiter durch menschliche Augen, wird wieder transformiert und an verschiedene Orte des Gehirns geleitet, das daraus im Bewusstsein einen kohärenten visuellen Anschein erzeugt. Lebenslang konditionierte neuronale Funktionen generieren aus dieser zweidimensionalen Vermutung eine möglichst hinreichende Repräsentation der ursprünglichen Weltquelle, wobei kulturelle Bedingungen und individuelle Erfahrungen die Lesart bisweilen deutlich modifizieren. Die finale Sinngebung dieser Bildvorstellung erfolgt dann mit der Interpretation des Kontexts, der für die Deutung derart grundlegend ist, dass er quasi Schärfe in Tiefe zu verwandeln vermag.
Es ist offensichtlich, dass eine Fotografie kaum mehr ist als pure Fiktion, eine Schöpfung unter Verwendung herumirrender Photonen; und ein Bild tatsächlich erst nach endlosen Mutationen und unter Mitwirkung eines an Einbildungskraft kaum zu unterschätzenden Betrachters entsteht. Aber die Mehrheit der ambitionierten Lichtjäger und -sammler hängt unverdrossen dem Glauben an, Fotografie habe irgendwie mit der Realität zu tun.
Aber Fotografie ist Zen: da ist keine Wirklichkeit – und sie geht auf dem Weg verloren.